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„Mit Herzblut geschrieben …“

Man hört des Öfteren, ein Roman sei mit viel Herzblut geschrieben. Gern benutzt, um dem Buch eine gewisse Aura zu verleihen, als herausragendes Gütezeichen sozusagen. Vermutlich ist gemeint, dass dem Autor das Thema oder die Geschichte besonders am Herzen lag, dass er beim Schreiben emotional engagiert war, dass er alles gegeben hat. Vielleicht stellt man sich sogar vor, dass er nächtelang mit seinem Text gerungen hat, bis ihn endlich die Muse küsste. Oder so ähnlich.

Aber mal ehrlich. Ist das nicht die ganz normal Autorenarbeit? Welche Bücher sind denn ohne Herzblut geschrieben, um den Ausdruck zu benutzen? Ich meine, wenn einer eine Menge Zeit seines Lebens damit verbringt, fünfhundert oder mehr Seiten Roman zu schreiben, dann kann man doch in jedem Fall von einem gewissen Engagement ausgehen. Wie sonst könnte ein Autor ein lesbares Resultat abliefern, wenn er seine Arbeit nicht ernst nehmen würde, wenn er nicht bemüht wäre, Qualität zu liefern. Ohne diese Motivation feilt man nicht zum 15-ten Mal an seinem Text herum. Das ist der ganz normale Schreiber-Alltag.

Aber dann gäbe es sehr erfolgreiche Romane, so hört man mit Erstaunen, die ganz locker vom Hocker geschrieben wurden. So mühelos aus der Feder, wie es eben fließt, ganz ohne Verkrampfung und in kurzer Zeit. Ohne viel Herzblut also. Und doch vom Leser sehr geschätzt.

Was ist denn nun richtig, mit oder ohne … Herzblut? Die Wahrheit liegt vermutlich wie so oft in der Mitte. So locker vom Hocker schreibt wohl niemand, auch wenn es sich so liest, denn natürlich braucht ein Autor Engagement für seinen Stoff, überhaupt für seine Arbeit.

Aber eine gewisse Distanz sollte man schon wahren, meine ich, genug jedenfalls, um sich den objektiven Blick zu erhalten. Denn wenn man sich zu sehr mit dem Thema verstrickt, könnte es rüberkommen, als befände man sich auf einem Kreuzzug. Ist man einer Figur übermäßig verbunden, läuft man Gefahr, zu viel von sich selbst einzubringen, was oft schwierig ist. Und klebt man zu sehr am Text, will jeden Satz besonders schön und poetisch gestalten, kann es leicht verkrampft wirken. Oder man erfindet Metaphern, die nicht wirklich passen, nur weil man meint, andauernd kreative Metaphern bringen zu müssen.

Ähnlich, wenn ein Autor sich besonders eindringlich abmüht, die Gefühle seines Protas zu vermitteln, und dann zwei lange Seiten schreibt, wo fünf Zeilen genügt hätten. Da hat ihn sein Herzblut in die Irre geführt. Etwas weniger Emotion und mehr nüchterner Abstand wären besser gewesen. Ich glaube, zum guten Schreiben gehört eine gewisse kühle Objektivität. Figuren, ihre Gefühle und Beweggründe werden am besten getroffen, wenn man sie objektiv seziert, auf ihr Wesentliches reduziert. Oder nur andeutet, ohne auszuwalzen.

Die Sprache soll gut klingen, sie darf aber der Sinnübermittlung zum Leser hin nicht im Wege stehen. Es geht nicht darum, wie schön man schreibt, sondern wie effektvoll dies auf der anderen Seite ankommt, ob es gelingt, die Spannung, die gewünschten Bilder und Gefühle beim Leser zu erzeugen. Eine etwas schlichtere, zurückgenommene Sprache ist oft überzeugender und wirkungsvoller.

Die Idee des nächtlich mit sich ringenden Autors, womöglich noch im Alkoholrausch, ist leider falsch. Ein guter Autor ist meist ein disziplinierter Handwerker. Denn, Herzblut hin oder her, ist man selbst emotional zu sehr gefangen, läuft man Gefahr, dem Leser auf die Nerven zu gehen. Dann riecht das Werk allzu stark nach dem Schweiß seines Schöpfers.

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